Em­DA - Ein­führung in das math­em­at­ische Den­ken und Arbeiten

Ziele des Projektes

Vom Wintersemester 2012/13 bis zum Wintersemester 2013/14 führten wir an der Universität Paderborn ein Lehrexperiment im Rahmen der Veranstaltung „Einführung in mathematisches Denken und Arbeiten durch“ durch.

Auf Grundlage einer Analyse unterschiedlicher Kritikpunkte und Wunschvorstellungen, die von Studierenden und Lehrenden in Bezug auf den gegenwärtigen Lehrbetrieb geäußert wurden, konzipierten wir neben speziellen Schnittstellenaufgaben und kompetenzorientierten Prüfungsangeboten eine sogenannte „tutorielle Vorlesung“  (Hilgert, Hoffmann, & Panse, 2015b; Panse, Hilgert, & Hoffmann, 2014). Angehende Gymnasiallehrerinnen und Lehrer im ersten Semester bereiteten den Inhalt eines Vorlesungstermins zunächst selbstständig vor, indem sie einen vorgegebenen Lesetext bearbeiten. Ihre Rückmeldungen über verbliebene Fragen und aufgetretene Schwierigkeiten griff das Lehrteam am folgenden Vorlesungstermin in einem Dozenten-Studierenden-Dialog auf. Unser Ziel bestand aus dem Vergleich einer traditionellen Vorlesung mit der tutoriellen, wobei ein Schwerpunkt auf der Motivation und dem Studienerfolg der Teilnehmer lag. Ein weiteres Element der Vorlesung war der Einsatz spezieller Schnittstellenaufgaben, die im Rahmen einer Bachelorarbeit untersucht wurden (Hoffmann, 2011).
Schnittstellenaufgaben an der Universität Paderborn

Kurzbeschreibung der bisherigen Ergebnisse

Bei diesem Lehrexperiment beobachteten wir, dass viele Studierende zu Beginn ihres Studiums Schwierigkeiten mit Studiertechniken haben. Insbesondere verfügen sie nicht über die spezifischen Kompetenzen zum sinnentnehmenden Lesen mathematischer Texte. Deshalb entwickelten wir ein Modell zum Erwerb grundlegender Arbeitstechniken, insbesondere zum Erwerb spezifischer Lesekompentenzen für mathematische Texte, wobei wir von einem möglichen Idealmodell eines erfahrenen Lesers ausgehen. In (Hilgert, Hoffmann, & Panse, 2015a) führen wir dieses Modell konkret vor.

Forschungsvorhaben
Die Ausbildung angehender Gymnasiallehrkräfte im Fach Mathematik ist mit Herausforderungen verbunden. Betrachten wir die jeweiligen Standpunkte von Studierenden und Lehrenden hinsichtlich fachmathematischer Veranstaltungen, so wird deutlich, dass von allen Beteiligten eine Unzufriedenheit hinsichtlich der Erwartungen und der erzielten Ergebnisse geäußert wird. Zwei grundsätzliche Diskrepanzen lassen sich hierbei erkennen:

  1. Die Lehrinhalte werden in ihrer Relevanz für den Lehrerberuf von Studierenden und Lehrenden ungleich bewertet.
  2. Das zeitliche und intellektuelle Engagement der Studierenden wird unterschiedlich hoch eingeschätzt.

Folgende offene Fragen stehen im Raum:

  • Nach welchen Kriterien werden die fachlichen Inhalte der Lehrveranstaltungen der Ausbildung zum Mathematiklehrer festgelegt?
  • Welche Wege gibt es, den Studierenden die fachlichen Inhalte und deren Relevanz zu vermitteln?
  • Welche Mindestvoraussetzungen müssen die Studierenden mitbringen, um erfolgreich studieren zu können?
  • Wie kann man Studierenden darin unterstützen, ihre Kompetenzen richtig einzuschätzen und Defizite gezielt zu bearbeiten?
  • Wie kann man eine Übereinstimmung darüber erzielen, welcher zeitliche Einsatz angemessen ist?


Das EmDA-Projekt ist diesen Fragen gewidmet. Im Rahmen der Veranstaltung „Einführung in mathematisches Denken und Arbeiten (EmDA)" werden seit dem Wintersemester 2013/14 innovative Veranstaltungsformen, Materialgestaltungen, Selbstdiagnoseinstrumente und Prüfungsmodalitäten eingesetzt und getestet.
Großer Wert liegt darauf, das Niveau der fachlichen Inhalte sowie die Menge an Stoff gemäß der Veranstaltung „Einführung in das mathematische Denken und Arbeiten“ im WS 2012/13 konstant zu halten und die Übertragbarkeit aller Innovationen auf andere (Mathematik-) Veranstaltungen zu sichern.


Entwicklung von Innovationen und Forschungsinstrumenten


Unter anderem fließen folgende Lehrkonzepte und Methoden in das Projekt ein:
  1. verstärkter Einsatz von Schnittstellenaufgaben zur Verdeutlichung der Berufsrelevanz der Lehrinhalte und Problemstellungen
  2. Methoden, die auf die individuellen Lernstrategien und Lerntempi eingehen, wie z.B. Just-in-time-teaching, inverted classroom
  3. kompetenz- und outcome-orientierte Lehre
  4. kompetenzorientiertes Prüfen
  5. größtmögliche Transparenz hinsichtlich der geforderten Prüfungsleistungen
  6. Beratung zu inhaltlichen Fragen und zu Fragen hinsichtlich des Zeitmanagements im Lernzentrum.

Dies bedeutet in der Praxis Folgendes:


Materialien


Den Studierenden werden wöchentlich unterschiedliche Materialien bereitgestellt. Diese enthalten Leseaufträge, Haus- und Präsenzaufgaben und ausformulierte Lernziele zum jeweiligen Themengebiet.


Leseaufträge


Zur Erhöhung der Eigenaktivität der Studierenden und als Möglichkeit, den eigenen Lernfortschritt einzuschätzen, werden zur Vorbereitung der Vorlesung Leseaufträge gegeben. Die hierfür vorgesehenen Texte sind zum größten Teil dem Buch „Mathematik ein Reiseführer“ von Ingrid und Joachim Hilgert entnommen, das als studienvorbereitende Lektüre konzipiert ist. Dadurch ist sichergestellt, dass die Präsentation des Materials leserfreundlich und nicht in unangemessener Schwierigkeit erfolgt.


Präsenz- und Hausaufgaben


Angesichts aktueller Diskussionen zu dem von Felix Klein geprägten Begriff der „doppelten Diskontinuität“, der oben angeführten Diskrepanzen und der offenen Fragen wird deutlich, dass Bezüge zwischen Schulmathematik und universitärer Mathematik von vielen Studierenden nicht wahrgenommen werden, auch dann nicht, wenn Lehrende vermehrt darauf verweisen.
In dem hier vorgestellten Projekt sind die fachwissenschaftlichen Inhalte bewusst in Bezug zur Schulmathematik gesetzt. Dementsprechend sind der Aufgabenpool für Präsenz- und Hausaufgaben überarbeitet und sogenannte Schnittstellenaufgaben konzipiert worden.


Lernziele


Bei allen Leseaufträgen und Hausaufgaben beinhalten die Studienmaterialien die Lernziele für das jeweilige Stoffgebiet. Für die Studierenden wird damit transparent, welche fachlichen Kompetenzen sie im jeweiligen Stoffgebiet erwerben können. Sie überprüfen das Erreichen des jeweiligen Lernziels mit gestellten Kontrollaufgaben. Durch den Lernzielkatalog erhalten sie einen Überblick über die geforderten Kenntnisse und prüfungsrelevanten Inhalte.


„Tutorielle Vorlesung“


Die Studierenden erhalten wöchentlich Leseaufträge und erarbeiten sich so den Stoff anhand eines Textes selbstständig und eigenverantwortlich. Fragen zum Stoff und Kommentare hinsichtlich des Textes geben sie über ein neu eingerichtetes elektronisches Feedback-System (efeed) an die Lehrenden weiter. In jeder Vorlesung beantworten die Studierenden direkt in der Veranstaltung zur Diagnose des eigenen Lernstatus multiple-choice-Fragen unter Verwendung des Web-basierenden Live-Feedback-Systems PINGO. Diese beiden Rückmeldungen zusammen mit spontanen Anmerkungen während der Vorlesung sowie den Fragen und Kommentaren der Studierenden im Lernzentrum und in den Übungen dienen der Gestaltung der Vorlesung, sodass der Lehrende auf die Schwierigkeiten der Studierenden eingehen und diese konkret und direkt thematisieren kann.


Beratung im Lernzentrum


Im Lernzentrum Mathematik GyGe werden für die Veranstaltung „EmDA“ im WS 2013/14 mindestens drei wöchentliche Sprechzeiten eingerichtet, die von Mitarbeitern des EmDA-Teams betreut werden. Somit stehen den Studierenden stets kompetente Ansprechpartner zur Verfügung.


Studienleistungen


Um die Zulassung zur Teilnahme an der Abschlussprüfung (Klausur) zu erhalten, müssen die Teilnehmer Studienleistungen erfüllen. Dafür gibt es im Rahmen der Veranstaltung Einführung in das mathematische Denken und Arbeiten im WS2013/14 drei Angebote: Korrektur der abgegebenen Lösungen der Hausaufgaben, mündliche Prüfung und schriftlicher Test.
Den Studierenden steht es frei, zu entscheiden, welche dieser Angebote sie wahrnehmen möchten.
Zwei der drei Angebote müssen hinreichend erfüllt sein. Die mündliche Prüfung bezieht sich inhaltlich in erster Linie auf die Haus- und Präsenzaufgaben und soll im Sinne des kompetenzorientierten Prüfens stattfinden. Der schriftliche Test stellt eine Art Vorklausur dar. An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass Transparenz hinsichtlich der geforderten Lernleistungen und der prüfungsrelevanten Kompetenzanforderungen ein zentrales Element dieses Konzepts darstellen.


Datenerhebung und Ergebnisse


Es war geplant, die Auswirkungen der Innovationen auf den Lernerfolg und Kompetenzerwerb der Studierenden begleitend zu evaluieren. Ob dieses Konzept tatsächlich einen Mehrwert für die Studierenden darstellt, der sich positiv auf deren Aktivität und erbrachten Leistungen auswirkt, wird durch die Erhebung und Auswertung folgender Daten evaluiert.
  1. die Zahl der Studierenden, welche die Vorlesung regelmäßig besuchen
  2. die Anzahl der eingesandten Fragen und Kommentare
  3. die quantitative Beteiligung bei den multiple-choice-Fragen
  4. die qualitative Analyse

i) der multiple-choice-Fragen
ii) der bearbeiteten Hausaufgaben
iii) der Ergebnisse in den mündlichen Prüfungen, schriftlichen Tests und der Klausur

ADDIN Mendeley Bibliography CSL_BIBLIOGRAPHY Hilgert, J., Hoffmann, M., & Panse, A. (2015a). Einführung in mathematisches Denken und Arbeiten: tutoriell und transparent (1. Aufl.). Berlin Heidelberg: Springer Spektrum. doi.org/10.1007/978-3-662-45512-8

Hilgert, J., Hoffmann, M., & Panse, A. (2015b). Kann professorale Lehre tutoriell sein? Ein Modellversuch zur „Einführung in mathematisches Denken und Arbeiten“. In W. Paravicini & J. Schnieder (Hrsg.), Hanse-Kolloquium zur Hochschuldidaktik der Mathematik 2014 : Beiträge zum gleichnamigen Symposium am 7. & 8. November 2014 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (S. 23–36). Münster: WTM-Verlag.

Hoffmann, M. (2011). Entwicklung von Schnittstellenaufgaben zwischen Hochschulmathematik und Schulmathematik im Rahmen einer gymnasialen Lehramtsanfängerveranstaltung (Bachelorarbeit). Universität Paderborn.

 

Panse, A., Hilgert, J., & Hoffmann, M. (2014). Handlungsbedarf in fachmathematischen Veranstaltungen? – Spezielle Maßnahmen an der Universität Paderborn. In J. Roth & J. Ames (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2014 (S. 883–886). Münster: WTM- Verlag.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Joachim Hilgert
Universität Paderborn

Telefon:       05251-60-2630
E-Mail:
hilgert(at)math.uni-paderborn(dot)de
Büro:            D2.234

Kontaktdaten finden Sie hier.

Wissenschaftler/innen

Prof. Dr. Joachim Hilgert
Max Hofmann
Anja Panse