Praxeologische Analysen der Verwendung von Mathematik in der Signaltheorie
Jana Peters, Universität Hannover
Betreuer: Prof. Dr. Reinhard Hochmuth
Fokus unserer Untersuchungen sind fortgeschrittene Lehrveranstaltungen im ingenieurwissenschaftlichen Studium, wie beispielsweise „Signal- und Systemtheorie“ (SST) und damit zusammenhängende fachliche und mathematische Aspekte vorangegangener Veranstaltungen. Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, dass Mathematik im Ingenieurwissenschaftlichen Studium eine große Rolle spielt und gleichzeitig eine der größten Hürden darstellt. Studierende der Ingenieurwissenschaften eignen sich Mathematik in verschiedenen Kontexten an: im Veranstaltungszyklus Höhere Mathematik für Ingenieure (HM) werden Konzepte der Analysis, Linearen Algebra und ggf. elementaren Numerik vermittelt. Die Inhalte werden meist in einem mehr oder weniger theoretischen mathematischen Rahmen präsentiert. Nichttriviale, für Ingenieure relevante, Anwendungsbeispiele werden dabei selten thematisiert. In Grundlagenveranstaltungen im Fach, wie bspw. Grundlagen der Elektrotechnik, werden die für diese Fachveranstaltungen benötigten mathematischen Konzepte, die häufig zu diesem Zeitpunkt in den parallel laufenden Veranstaltungen zur höheren Mathematik meist noch nicht behandelt wurden, in studienbegleitenden Zusatzseminaren vermittelt. Dabei werden die Inhalte in der Regel mathematisch weniger präzise als in den Veranstaltungen zur Höheren Mathematik präsentiert. Und schließlich werden in höhersemestrigen Fachveranstaltungen (zum Beispiel SST) fortgeschrittene mathematische Konzepte, wie beispielsweise die Diracsche Delta-Distribution, behandelt, zugehörige exakte mathematische Definitionen und Begründungen aber nicht im Zyklus zur HM, oder in anderen Mathematikveranstaltungen im Rahmen des Ingenieurwissenschaftsstudiums, behandelt. Diese fortgeschrittenen Konzepte müssen also in der Fachveranstaltungen vermittelt werden.
Diese unterschiedlichen mathematischen Kontexte zeichnen sich insbesondere durch eine unterschiedliche ontologische Bindung der mathematischen Objekte aus. Während sich mathematische Objekte in der HM durch Kohärenz und eine dementsprechende Kontingenz (Prediger, 2001) im Rahmen abstrakter Theorien auszeichnen, sind mathematische Objekte in Fachveranstaltungen auf einen ingenieurwissenschaftlichen Kontext bezogen und damit mit physikalischen und elektrotechnischen Vorstellungen verbunden (Wahsner & Borzeszkowski, 1992).
Um die epistemologischen Beziehungen mathematischer Objekte in höheren ingenieurwissenschaftlichen Veranstaltungen hinsichtlich ihrer ontologischen Bindung zu untersuchen, konzeptualisieren wir die verschiedenen Kontexte (HM und SST) als unterschiedliche institutionelle Diskurse. Die Anthropologische Theorie der Didaktik (Chevallard, 1992, 1999) ermöglicht die Analyse von mathematischem Wissen in verschiedenen institutionellen Kontexten. Da unserer Ansicht nach die verschiedenen Kontexte HM und SST jedoch nicht getrennt voneinander existieren, wie beispielsweise im Rahmen von Modellierungskreisläufen als „Mathematik“ und „Rest der Welt“ konzipiert, haben wir das praxeologische 4T-Modell der ATD erweitert, indem wie Techniken und Technologien in HM-Techniken und -Technologien und SST-Techniken und -Technologien ausdifferenzieren. Analysen von Aufgabenbearbeitungen können zeigen, dass
- die Aneignung einer pragmatischen gegenstandspezifischen mathematischen Praxis notwendig ist, um Aufgaben effektiv lösen zu können.
- eine kontext spezfische Auswahl konkurrierender Lösungswege nötig ist.
- Studierende dabei teilweise mit einer inkonsistenten Verwendung von Konzepten konfrontiert sind.
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Peters, J., Hochmuth, R., & Schreiber, S. (2017). Applying an extended praxeological ATD-Model for analyzing different mathematical discourses in higher engineering courses. In Didactics of Mathematics in Higher Education as a Scientific Discipline, Conference Proceedings (S. 172–178).
Hochmuth, R., & Schreiber, S. (2016). Überlegungen zur Konzeptualisierung mathematischer Kompetenzen im fortgeschrittenen Ingenieurwissenschaftsstudium am Beispiel der Signaltheorie. In A. Hoppenbrock, R. Biehler, R. Hochmuth, & H.-G. Rück (Hrsg.), Lehren und Lernen von Mathematik in der Studieneingangsphase (S. 549–566). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10261-6_35
Hochmuth, R., Schreiber, S. (2015). Conceptualizing Societal Aspects of Mathematics in Signal Analy-sis. In: S. Mukhopadhyay & B. Greer (Eds.), Proceedings of the Eight International Mathematics Ed-ucation and Society Conference. Portland: Ooligan Press, 610-622.
Hochmuth, R., & Peters, J. (2020). About the "Mixture" of Discourses in the Use of Mathematics in Signal Theory. Educação Matemática Pesquisa: Revista do Programa de Estudos Pós-Graduados em Educação Matemática, 22(4), 454–471.
https://doi.org/10.23925/1983-3156.2020v22i4p454-471
Hochmuth, R., & Peters, J. (2021). On the Analysis of Mathematical Practices in Signal Theory Courses. International Journal of Research in Undergraduate Mathematics Education, 7(2), 235–260. https://doi.org/10.1007/s40753-021-00138-9
Hochmuth, R., & Peters, J. (2022). About Two Epistemological Related Aspects in Mathematical Practices of Empirical Sciences. In Y. Chevallard, B. B. Farràs, M. Bosch, I. Florensa, J. Gascón, P. Nicolás, & N. Ruiz-Munzón (Hrsg.), Advances in the Anthropological Theory of the Didactic (S. 327–342). Birkhäuser Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-030-76791-4_26
Hochmuth, R., & Schreiber, S. (2015). Conceptualizing societal aspects of mathematics in signal analysis. In S. Mukhopadhyay & B. Greer (Hrsg.), Proceedings of the Eighth International Mathematics Education and Society Conference. Ooligan Press, Portland State University. https://doi.org/10.5539/ies.v8n12p25
Peters, J. (2021). „Diskurs" als analytischer Begriff für fachliche Analysen mathematischer Praxen in der Signaltheorie. In K. Hein, C. Heil, S. Ruwisch, & S. Prediger (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht. WTM Verlag. https://doi.org/10.37626/GA9783959871846.0
Peters, J. (2022). Modifying Exercises in Mathematics Service Courses for Engineers Based on Subject-Specific Analyses of Engineering Mathematical Practices. In R. Biehler, G. Gueduet, M. Liebendörfer, C. Rasmussen, & C. Winsløw (Hrsg.), Practice-Oriented Research in Tertiary Mathematics Education (S. 581–601). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-031-14175-1_28
Peters, J. (2023). Sometimes mathematics is different—Studies on mathematical practices in electrical engineering [DoctoralThesis, Hannover : Institutionelles Repositorium der Leibniz Universität Hannover]. https://doi.org/10.15488/14094
Peters, J., & Hochmuth, R. (2021). Praxeologische Analysen mathematischer Praktiken in der Signaltheorie. In R. Biehler, A. Eichler, R. Hochmuth, S. Rach, & N. Schaper (Hrsg.), Lehrinnovationen in der Hochschulmathematik: Praxisrelevant – didaktisch fundiert – forschungsbasiert (S. 109–139). Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62854-6_6
Peters, J., & Hochmuth, R. (2022). Sometimes mathematics is different in electrical engineering. Hiroshima Journal of Mathematics Education, 15, 115–127.
Peters, J., Hochmuth, R., & Schreiber, S. (2017). Applying an extended praxeological ATD-Model for analyzing different mathematical discourses in higher engineering courses. In Didactics of Mathematics in Higher Education as a Scientific Discipline – Conference Proceedings. (S. 172–178).
Peters, J., Khellaf, S., & Hochmuth, R. (2018). Anthropologische Theorie der Didaktik in der fachdidaktischen Lehre-Potentiale durch Kontrastierung zum Kompetenzmodell. In Fachgruppe Didaktik der Mathematik der Universität Paderborn (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht (S. 2095–2096). WTM-Verlag. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-19571
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